Skip to main content

Es werde Licht! Reisebericht Südäthiopien zum Programm „Grüne Bürgerenergie für Afrika“

Äthiopien ist Afrikas Wachstumsstar. Mehr als verdreifacht hat sich die Wirtschaftsleistung seit 2004, das macht im Schnitt elf Prozent plus pro Jahr. Der Anteil der extrem armen Menschen mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag ist von 55 Prozent auf unter 30 Prozent gefallen. Bekleidungskonzerne wie H&M, Kik oder Tchibo lassen in Äthiopien schneidern und nähen. Schuh- und Lebensmittelhersteller entdecken den preiswerten Produktionsstandort. Und die Farmer exportieren etwa eine Milliarde Rosen jährlich in die Welt. Viele landen in deutschen Vasen. Der Energiehunger steigt und die Regierung setzt sich ehrgeizige Ziele. Wachstum soll allein mit erneuerbaren Energien geschafft werden. Prestigeobjekt und Achillesferse ein Riesenstaudamm am Blauen Nil namens GERD (Great Ethiopian Renaissance Dam). GERD frisst nicht nur jeden schwer erwirtschafteten Devisen-Euro oder Dollar, er setzt auch auf massenhaft Regen. Das Volumen 3mal so groß wie der Bodensee. Zudem beäugen die Nilunterlieger wie Ägypten das Bauvorhaben kritisch.

Die Menschen im Land glauben den Versprechungen der Regierung. Immer mehr der ca. 100 Mio. Einwohner ziehen in die rasch wachsenden Städte. Oft ohne Aussicht auf einen Job, denn die gibt es noch nicht im Überfluss und erst recht nicht ohne Qualifizierung. Und dann? Zurück aufs Land? Zurück zu einem harten und entbehrungsreichen Leben in einer Lehmhütte, ohne Strom, ohne Licht, die nächste Wasserversorgung Kilometer entfernt? Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat keinen Zugang zu Strom. Das ist die andere Seite Äthiopiens, in dem kleiner Wohlstand noch immer auf große Armut trifft; in dem Bildung und gleichmäßige Wohlstandsentwicklung Schlüssel für die Vermeidung neuer gesellschaftlicher, oft ethnisch getriebener Unruhen sind, die Megaflüchtlingsströme in Gang setzen könnten.

Hier setzt das Programm „Grüne Bürgerenergie für Afrika“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) an. Es setzt auf den Aufbau dezentraler Energiestrukturen in ländlichen Regionen. Dies geschieht mit Hilfe von Kommunen, Genossenschaften und privatwirtschaftlichen Investitionen. Außerdem werden die afrikanischen Kommunen gestärkt. Somit können Sie dann bezahlbare, verlässliche und nachhaltige Energie bereitstellen und die berufliche Bildung im Energiesektor ausweiten.

Als kommunalpolitischer Sprecher und Mitglied der AG Bürgerenergie habe ich auf Bitten und zusammen mit den Energiebeauftragten des BMZ, Bärbel Höhn und Josef Göppel, die Region Awassa in Südathiopien besucht, um Projektideen vor Ort zu entwickeln. Geholfen haben mir dabei insbesondere meine Kontakte zu dem von Bürgerinnen und Bürgern aus der Region. Das dort ansässige  Hawassa Childrens Center, ein Dorf für Waisenkinder, das seinen Ursprung in den Wirren des Bürgerkrieges und der grassierenden HIV-Epidemie hatte, besuchte ich bereits vor einigen Jahren, da der Mitbegründer aus Beverungen stammt und mein Interesse so geweckt hat.

Dieses war gleichzeitig erster Besuchspunkt der von unserem lokalen Partner, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), organisierten Reise. Unter das Gewirr von Kinderstimmen, die das Ende des Schultages ankündigten, mischte sich das Rattern von Nähmaschinen. Längst ist das Konzept der reinen schulischen und persönlichen Vorbereitung auf das Leben um einen berufsbildenden Zweig, dem „Vocational Training Center Awassa“, gewachsen. Junge Menschen erhalten eine Ausbildung als Näherinnen, Tischler oder Elektriker. Und das mit Erfolg. Fast alle Absolventen finden anschließend dauerhaft einen Arbeitsplatz.

Jetzt soll der nächste Schritt erfolgen. Es sollen „Solarhandwerker“ ausgebildet werden. Der geplante Bereich reiht sich nahtlos in die vorhandenen Kompetenzen ein. Das Center verfügt über eine größere Solaranlage, die wegen der Verknüpfung mit einer Wasserpumpe und einer Batterieanlage zu einer autonomen Energieversorgung führt. Die Absolventen werden im Verkauf und der Wartung von Solaranlagen eingesetzt. Um grüne Energie in Äthiopien und anderen afrikanischen Ländern nachhaltig zu festigen, sind einheimische Fachkräfte vor Ort notwendig, die dann auch für eine langfristige Sicherung der erneuerbaren Energien sorgen. Was nützt das neuste Solarpanel, wenn es niemand bei einem Defekt reparieren kann. Unsere Reise hat großen Wert auf diesen ganzheitlichen Ansatz gelegt. Die Ausbildung findet in enger Kooperation mit der Regionalregierung statt.

Für solche Ausbildungszentren wäre eine Kooperation mit einer deutschen Handwerkskammer sinnvoll. Dies wird auch von den örtlichen Kräften befürwortet. Die Idee, über diesen Weg einheimische Fachkräfte auf „Handwerkerniveau“ in ihrem Heimatland auszubilden, wird durch eine kooperative Ausbildung von „Führungskräften“ in Deutschland ergänzt. Diese können je nach Betriebsgröße geschäftsleitend oder als Projektentwickler tätig sein. Hierzu waren die Gespräche mit den Geschwistern Hiwot und Yaynabeba Abayneh ergebnisorientiert. Sie arbeiten als Dozentinnen an der Landwirtschaftsuniversität und haben zuletzt ein Studiensemester an der landwirtschaftlichen Hochschule Weihenstephan-Triesdorf absolviert. Im Rahmen der Universitätsarbeit projektieren und entwickeln sie ländliche Energieprojekte. Derzeit versuche ich eine Wissenschaftskooperation mit deutschen Instituten aufzubauen.

Während in Awassa die Stromversorgung überwiegend funktioniert und ein gewisser Wohlstand herrscht, erwartete uns in den Dörfern das krasse Gegenteil. Wir stellten schnell fest, es sind die kleinen, dezentralen Projekte, die den Menschen wirklich helfen können.

Wie Solarmodule auf der Krankenstation des Dorfs Sidama Zone einer Ansammlung von Stroh- und Lehmhütten, 3 Fahrstunden über eine Buckelpiste von Awassa entfernt. Hier tragen Frauen in bunten Gewändern Wasserkrüge auf dem Kopf, hier traben Ziegen über die rote Staubpiste, hier ist die nächste Stromleitung 20 Kilometer weit weg. Eine staatliche Stromversorgung ist die nächsten 25 Jahre nicht geplant. Umso wertvoller ist die kleine, neue und mit Bundesmitteln aus Deutschland errichtete Solaranlage. Knapp 18.000 Menschen werden hier versorgt. Erstmals gibt es bei Operationen ausreichend Licht, wo bisher lediglich ein Handylicht die Arbeit der Ärzte unterstützte. Medikamente und Impfserum können nun kühl gelagert werden und sind somit länger haltbar. Durch den Strom kann nun ein Elektronenmikroskop benutzt werden und erleichtert so die analytische Arbeit der Krankenstation.

Nächster Tag: Wieder drei Stunden über ausgewaschene Straßen. Hiwot und Yaynabeba Abayneh führen uns ihr Projekt auf einem Bauernhof vor, eine Biogasanlage, die mit Mist der Weiderinder betrieben wird. Wir müssen feststellen, welch großer Fortschritt schon ein wenig Strom liefert. In den kleinen Lehmhütten wird mit Holzfeuer am Boden gekocht. Durch das Feuer in den Hütten entsteht viel Rauch, der zu Atembeschwerden bei den dort lebenden Menschen führt. Durch eine kleine Biogasanlage, die lediglich Investitionskosten von 500 Euro benötigt, kann ein Stromherd etwa fünf Stunden und eine Lampe 10 Stunden betrieben werden. Da es in Äthiopien früh dunkel wird, sind die Kinder erstmals in der Lage, ihre Hausaufgaben nach dem langem Schulweg und anschließender Haus- und Feldarbeit mit Licht zu erledigen.

Was ein bisschen Strom in Leben von den Menschen vor Ort ändern kann, bewegt mich sehr. Für die Menschen, die wir treffen, ist dies ein Quantensprung. Für uns der überfällige Anschluss an ein bisschen mehr „Komfort“ im Alltag einer Familie im afrikanischen ländlichen Raum.

Einen ähnlichen Effekt hat die kleine Wasseranlage im nächsten Dorf, die als Genossenschaftsprojekt mit mehreren Bauern geführt wird. Ein Modell, das den Äthiopiern noch sehr fremd ist, gleichwohl ein Erfolgsgarant wie in Deutschland werden kann. Neben technischen Fragen ist hier auch eine organisatorische Begleitung durch Projektpartner wichtig, um den Erfolg langfristig zu sichern. 

Es wird jetzt, bezogen auf alle Partnerländer, ein Umsetzungsplan erarbeitet. Neben der Ausbildung und der Partnersuche wird es auf den richtigen Energiemix ankommen. Hierzu haben wir weitere Gespräche mit der Regionalregierung und in der Hauptstadt Addis Abeba geführt. Nach meiner festen Überzeugung erfüllen die angedachten Projekte die Ziele der Afrikastrategie im Allgemeinen und des Projektes „Grüne Bürgerenergie für Afrika“ im Speziellen. Nur mit einer nachhaltigen Energie- und Wohlstandsstrategie für städtische und ländliche Räume kann eine positive wirtschaftliche und gesellschaftlich stabilisierende Entwicklung erreicht werden. Des Weiteren wir der Einsatz von Holz zum Kochen substituiert und damit zur Schonung der Ressource Holz beigetragen, was einen weiteren Beitrag zum Klimaschutz darstellt. Mit Projekten in ländlichen Räumen wird auch dem starken Urbanisierungsdruck entgegengewirkt.

Zurück in Deutschland bin ich sehr beeindruckt von dem Engagement in Äthiopien. Mein Eindruck ist, dass man in diesem Land mit verhältnismäßig geringem Aufwand sehr viel zum Guten bewegen kann. Die kleinen Schritte der Modernisierung haben einen großen Effekt auf die Lebensqualität der Menschen vor Ort. Ich danke den vielen Initiativen in meinem Wahlkreis, die sich auf verschiedensten Wegen für eine Verbesserung der Lebenssituation in Äthiopien einsetzen. Gerade auch im migrationspolitischen Kontext werde ich weiter an der Entwicklung Äthiopiens dran bleiben und sage „da-he-naa hu-nu“ Äthiopien.

 

 

 

 

 

Schüler und Dorfvater Girma Melesse im Kinderdorf von Awassa

Die Studentinnen Hiwot und Yaynabeba Abayneh waren für ein Semester in Deutschland und entwickeln ländliche Energieprojekte (hier mit Ihrer Familie und Josef Göppel MdB)